07.11.2025

Besuch bei Dr. Gustavo und dem Krankenhaus El Pablo Tobón Uribe in Medellín am Donnerstag, 23.01.2025

Gerade wird mir bewusst, wie außergewöhnlich es ist, um die halbe Welt zu fliegen für zwei Minuten. Zwei Minuten, in denen ich dem Arzt, der mich vor 10 Jahren so herausragend operiert und dabei um mein Leben gekämpft hat, zu besuchen und ihm persönlich Danke zu sagen. Genau das, ist mein Anliegen für diese Fernreise. Meinem Dr. Gustavo stehend gegenüberzutreten, ihm in die Augen zu blicken und von Herzen Danke sagen. Und wenn wir schon bei der Dankbarkeit sind, löse ich auch mein Versprechen ein, das ich mir vor 10 Jahren, als ich querschnittgelähmt mit zertrümmerten und gebrochenen Wirbeln im Krankenhaus El Pablo Tobonón uribe mitten in Kolumbien lag. Ich habe damals zu mir selbst gesagt, dass ich zu all diesen lieben Menschen, die so fürsorglich und liebevoll zu mir sind, zurückkomme, sobald es mir möglich ist. Jetzt ist es soweit.

Um 7.15 Uhr holt unser Fahrer Noé meinen Mann Johann und mich im Hotel ab und fährt uns durch dieses permanente Verkehrschaos mit seinen völlig eigenen Regeln direkt zum Eingang vom Krankenhaus. Bepackt mit unseren Geschenken, die Johann trägt, stehen wir in der Eingangshalle. Um 8 Uhr sind wir hier mit Dr. Gustavo verabredet. Er hat mir damals seine private Handynummer und Mailadresse gegeben, damit ich ihn erreichen kann, falls ich irgendwelche Fragen zu einem späteren Zeitpunkt haben sollte. All die Jahre hielt ich Kontakt mit ihm und habe ihn voll Freude und Dankbarkeit über meine Fortschritte auf dem Laufenden gehalten. Das war das Einzige, was ich zurückgeben konnte und tat es immer von Herzen gerne. Ich bin so aufgeregt, dass ich tatsächlich die Bachblüten Rescue-Tropfen genommen habe, um das, worauf ich mich ein ganzes Jahrzehnt gefreut habe, jetzt ganz bewusst und dankbar zu erleben.

Und dann steht er vor mir in blauer OP-Kleidung und weißem Kittel. Der Mann dem ich zusammen mit seinem Team mein Leben verdanke und dass ich wieder auf die Beine gekommen bin. Was für ein Moment. Für den Bruchteil einer Sekunde scheint die Zeit in der belebten Eingangshalle stillzustehen. Zwei weitere Ärzte begleiten ihn. Allmählich nehme ich auch sie wahr.

Jetzt kann ich endlich das machen, was mir so ein großes Anliegen ist: Ihm in die Augen zu schauen, danke zu sagen und ihn zu umarmen. Freudvolle Stille die keine Worte braucht. Für den kurzen Moment.

Dann zurück in die Realität und Begrüßung von Johann und Vorstellung der begleitenden Ärzte. Beides Neurochirurgen. Wir setzen uns in die Caféteria. Dankbar erzähle ich, wie ich die Zeit vor 10 Jahren hier im Krankenhaus erlebt habe und all das, was ich so außergewöhnlich fand. Ich erzähle von dem großen Lob der deutschen Ärzte über die herausragende Operation und von den Physiotherapien, die mich wieder auf die Beine gebracht haben, damit seine wertvolle Arbeit auch Früchte tragen konnte. Meine Vojta-Therapeutin, Sabine Winkler, hat mir eine Sprachnachricht auf englisch aufgesprochen in der sie erklärt, was Vojta ist, und wie sie mit mir arbeitet. Die Nachricht hören sie mit großem fachlichem Interesse und machen sich gleich Notizen.

Ich habe eine schöne Danke-Collage über meinen Heilungsweg mitgebracht, die alle 3 interessiert anschauen und kommentieren.

Mein früherer Chef, Herr Pallas von Pallas-Seminare, hat mir einige Exemplare von seinem Buch: „Die Macht der Dankbarkeit“ auf spanisch für ihn und sein Team mitgegeben, die ich auch gleich überreiche. Es ist eine so helle und freudvolle Energie, die uns wie eine Blase umhüllt, während um uns herum der hektische Krankenhausalltag stattfindet.

Plötzlich sagt Dr. Gustavo: „Now let’s go to the Neuro-Team.” Und setzt sich in Bewegung.

Was immer das jetzt bedeutet, wir folgen ihm flotten Schrittes durch die langen Gänge, während ich weiter Fragen beantworte. Kurz war ich geneigt, mich bei ihm im Arm einzuhängen, wie ich das aus Sicherheitsgründen immer mache, wenn ich mit jemandem wohin gehe, habe es aber mal lieber gelassen.

Vor einer unscheinbaren Tür bleibt er stehen, klopft und öffnet unmittelbar danach die Tür. Ein Raum mit vielen blauen Stühlen und Menschen in blauer Krankenhauskleidung mit weißen Kitteln sitzen dort und nehmen an einer Schulung oder einem Meeting teil. Als wir eingetreten sind, sehe ich eine Frau, die referiert. Ich fühle mich, als ob wir stören, doch Dr. Gustavo und die Dame fordern uns auf, uns zu setzen. Wir sind irritiert, folgen aber brav und setzen uns auf zwei freie Stühle am Rande der ersten Reihe. Die Mitarbeiterin setzt ihren Vortrag fort und wir lauschen dem wohlklingenden Spanisch ohne auch nur ein Wort zu verstehen. Nach ein paar Minuten übergibt sie das Wort und den Platz vorne an Dr. Gustavo. Er erklärt, wer wir sind und woher wir kommen und dass ich vor 10 Jahren einen Gleitschirmunfall hatte und hier operiert wurde. So reime ich es mir wenigstens mit meinen bescheidenen Spanischkenntnissen zusammen. Dann sagt er an mich gewandt: „Natalie, alle hier sprechen Englisch und überlässt mir mit einer Geste den Rednerplatz. Während er sich auf einen Stuhl setzt meint er noch: Bitte erzähle von deinen Erfahrungen hier im Krankenhaus.“

Okay – damit habe ich jetzt gar nicht gerechnet. Verdutzt registriere ich, dass alle Blicke auf mich gerichtet sind. Zeit um mir über mein schlechtes Englisch Gedanken zu machen hatte ich nicht. So spüre ich in mein Herz, bitte um göttliche Führung, stehe selbstbewusst auf und gehe nach vorne, wie ich das als Seminarleiterin oft genug getan habe. Und dann passiert etwas Magisches: Ich erzähle meine Geschichte in einem einfachen Englisch und mir fallen alle Vokabeln ein, die ich benötige, sodass ich all das ausdrücken konnte, was mir als schwerstverletzte Patientin, alleine in einem fremden Land so sehr geholfen hat und mich durch diese extreme Situation getragen hat.

Ich erzähle von der Zuversicht, die hier vermittelt wurde, von der liebevollen Fürsorge, von der Warmherzigkeit, dem guten Essen, der achtsamen Pflege meines Körpers. Ich nenne alle Namen der Ärzte und Therapeuten, die mit mir gearbeitet haben und erzähle kleine Anekdoten. Ich drücke meinen tiefsten Dank für sie alle aus und auch meinen großen Respekt über den wertschätzenden außergewöhnlichen Umgang mit ihren Patienten. Ich berichte auch, wie das bei uns in Deutschland ist und schäme mich für unser Land, dass es bei uns im Vergleich zu Kolumbien um so viel schlechter ist. Ich erzähle, dass Dr. Gustavo gesagt hat: Du hattest ein gutes Leben, und du wirst wieder ein gutes Leben haben.

Ich erzähle von der Anästhesistin, deren Name ich nicht weiß. Sie hat vor der ersten Operation an meiner Wirbelsäule meine Hand gehalten, mir in die Augen geblickt und gesagt, dass ich keine Angst haben brauche. Sie passt gut auf mich auf. Sie kümmert sich um mich, als ob ich ihre Schwester wäre. Sie sagte: „Natalie, deine Familie ist zwar gerade weit weg, aber du bist nicht alleine, denn hier sind wir alle deine Familie.“ Nie werde ich diese warmherzige und aufrichtigen Worte und ihren liebevollen Blick vergessen.

Es rührt mich noch jetzt beim Schreiben dieses Textes zu Tränen.

Alle hören mir gebannt zu und haben auch feuchte Augen.

Dr. Gustavo fängt die Stimmung auf und stellt noch ein paar Fragen, die ich alle gerne beantworte. Stolz führe ich vor, dass ich nicht nur gehen kann, sondern auch einen kleinen Freudensprung für sie machen kann und hüpfe ein paar Zentimeter in die Luft. Freudiges Lachen und anerkennenden Applaus ernte ich dafür.

Mit dankbarem Blick erkläre ich, dass das der Grund für unsere Reise nach Kolumbien war: Hier danke sagen zu können, für all die Liebe und Fürsorge und zu zeigen, dass ihre gute Arbeit Früchte getragen hat.

Nach 15 Minuten ist alles gesagt und ich wünsche ihnen das Allerbeste. Dr. Gustavo hat die Collage noch rumgehen lassen, und diese wird auch genau betrachtet.

Alle vom Neuro-Team kommen zu mir, drücken mich von Herzen und bedanken sich. Sie sagen, dass es so wichtig für sie ist, das zu hören, denn für sie ist das ihr ganz normaler Alltag. Es ist auch die Philosophie des Krankenhauses, dass sie so mit den Patienten umgehen, ihnen in die Augen sehen, ihnen zuhören, sich Zeit nehmen, liebevoll umgehen, dass es gesundes Essen gibt usw.

Die Herzensberührung eines jeden vibriert im Raum und umhüllt uns alle mit einer einzigartigen Energie.

Die Ärzte müssen in den OP, die Schwestern zu den Patienten und ich soll noch ins International Office und dort auch noch einen Bericht abgeben und dann noch ein Video für Instagram aufnehmen. Dafür gehen wir an einen Ort bei der Caféteria, damit wir etwas Grün im Hintergrund haben. Johann erinnert sich, dass es von uns beiden genau an dem Ort ein Foto gibt, das wir vor 10 Jahren hier gemacht haben. Es war am Tag vor unserer Heimreise – für mich im Liegendtransport.

Getragen von der schönen Energie und völlig im Flow berichte ich gleich noch für das Video für Sozial Media meine positiven Erfahrungen mit dem Krankenhaus El Pablo Tobón Uribe – el Hospital con Alma. Das Krankenhaus mit der Seele.

Tief berührt, reicht beschenkt und überglücklich, dass ich das tun konnte und Johann an meiner Seite hatte, verabschieden wir uns und gehen zum Ausgang, wo Noé unser Fahrer zuverlässig auf uns wartet. Er hat seine Frau mitgebracht, weil sie uns unbedingt kennenlernen möchte. Wie nett.